Xxi. §. 8. Die Zeiten des vierten Kreuzzuges. 407
des Papstes Werk war ja die Gründung des jerusalemischen König-
reichs gewesen, seine Heere waren zu solchem Unternehmen ausgezogen,
seinen segnenden Verheißungen hatten Fürsten und Völker vertraut,
seine Fürsorge und Oberleitung sollte das Gewonnene befestigen und
erweitern helfen. Statt dessen, so klagte man nun, hatte er mit dem
Kaiser gehadert und darüber die schönste Perle der gesainmten Christen-
heit schmählich verloren gehen lassen. Aber Kaiser Friedrich hatte
kaum die Trauerkunde vernommen, als er selber sich an die Spitze der
neubegeisterten Christenschaaren stellte, um im Greisenalter noch als
Dank für so viele und große Wohlthaten dem Herrn sich selbst mit
dem ganzen Rest seiner Kraft zum freudigen Werkzeug für solch heili-
ges Unternehmen darzubringen. Wie wetteiferten da die Fürsten,
geistliche und weltliche, dem großen Kaiser mit ihren Vasallen zu
folgen. Unter dieser Führung schien jede Furcht vor Gefahr und
Mißlingen beseitigt; Jedermann war des Gelingens sicher, man sah mit
mitleidigen Augen auf die, welche zu Hause bleiben mußten. Und
wirklich, nie ist ein Zug mit mehr Umsicht, Nachdruck und Erfolg ge-
leitet. Alle Jammerscenen .früherer Kreuzzüge wurden vermieden.
Schon war man fast an den Grenzen Syriens angelangt, der Ruhm
des Kaisers erscholl durch ganz Europa und Asien, erfüllte die Sa-
racenen mit Furcht und Schrecken, erhub die Herzen der Christenheit
zur freudigsten Zuversicht, da (verlasset euch nicht auf Menschen!) mitten
im glücklichen Fortgang des gepriesenen Unternehmens, auf dem Gipfel
seines Ruhms und seiner Siege, holte der Herr den theuren Helden
heim zu dem schönen, himmlischen Jerusalem. Er ertrank beim Ueber-
setzen über den Fluß, sein Heer zerstreute sich oder erlag pestartigen
Krankheiten. Jerusalem blieb in den Händen der Saracenen.
§. 8. Die Zeiten des vierten Kreuzzuges.
Wem es durch den plötzlichen Tod des großen Barbarossa
noch nicht klar geworden wäre, daß der Herr selbst die Wiederher-
stellung des Christenreichs zu Jerusalem mit starker Hand und auö-
gerecktem Arm verhinderte, dem mußte der mit dem dritten Kreuzzug
in Verbindung stehende und fast gleichzeitig unternommene vierte
Kreuzzug vollends die Augen öffnen. Auf die Schreckenskunde von
der Eroberung Jcrusalem's durch Saladin hatten sich außer dem
Kaiser auch die Könige von Frankreich und von England an die Spitze
ihrer Schaaren gestellt und waren mit großem Glanz, Geräusch und
Pomp ein Jahr später als Friedrich ausgebrochen und zu Schiffe
hinübergefahren nach der Küste von Palästina. Es waren Philipp
August von Frankreich (1180 —1223), der schöne, eitle, ränkevolle,
herrsch- und habsüchtige Sohn Ludwig's Vii., des unglücklichen
Kreuzfahrers, den wir schon kennen gelernt, und Richard „Löwen-
herz" von England, der tollkühne, grausame und grobsinnliche Sohn
jenes Heinrich Ii., der wegen der Ermordung des Erzbischofs Tho-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Barbarossa Barbarossa Friedrich Friedrich Palästina Philipp Philipp August Richard_„Löwen- Heinrich_Ii Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Syriens Europa Asien Jerusalem Frankreich England Frankreich England
Xxv. §. 10. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt. 627
abgebrochen wurden, als Oe streich sich entschieden auf die Seite der
Verbündeten stellte, und schon zog die große Hauptarmee unter dem
Fürsten Schwarzenberg aus Böhmen über die trennenden Berge
nach Sachsen hinein, um den heiligen Kampf im Verein mit den
Brüdern zum sieghaften Ende zu bringen. Und nun folgten die Sie-
gesnachrichten Schlag auf Schlag, und die dazwischen sich mengenden
Botschaften von einzelnen Verlusten und Niederlagen wurden immer
gleich wieder von neuem Siegesjubel überwogen. Blücher, der
deutsche Heldengreis, machte den Anfang mit seinem großen und
ruhmvollen Sieg an der Katzbach; die Generäle Oftermann und
Kleist von Nollendorf vernichteten die französische Heeresabtheilung
des Vandamme in der Ebene von Culm, wohin das böhmische
Heer sich nach der Schlacht bei Dresden wieder hatte zurückziehen
müssen. Bülow aber, mit der Beterschaar des theuren Vater Jä-
nicke hinter sich, schlug die gegen Berlin heranziehenden Marschälle
Oudinot und Ney erst bei Groß-Beeren, dann beidennewitz
mit der preußischen Landwehr so vollständig, daß dieser ganze Hee-
restheil fast aufgerieben wurde. Das geschah alles in den letzten Ta-
gen des August und Anfangs September. Es waren die Vorübun-
gen zu dem großen Kampf, der noch bevorftand gegen den Schlach-
tenmeister, den Napoleon selber. Der stand noch in Dresden und
versuchte es, während des September bald in Böhmen, bald in Schle-
sien einzudringen, bald rechts, bald links sich freie Bahn zu machen,
aber vergebens. Das Netz wurde fester und fester um ihn herumge-
zogen. Die drei Armeen, die bisher in Böhmen, Schlesien und nörd-
lich an der Elbe vertheilt gewesen waren, zogen jetzt von allen Seiten
heran, um sich bei Leipzig zu vereinigen. Blücher mit seinem schle-
sischen Heere stieß zur Nordarmee, suchte den zaudernden B er nadotte
mit sich fortzureißen, erzwang durch Aork's kühne Waffenthat bei
Wartenberg den Uebergang über die Elbe, und rückte dann von Nor-
den her, gleichwie Schwarzenberg von Süden her in die Ebene
von Leipzig. Auf diesen weitgestreckten Flächen, wo schon so manche
blutige Schlacht geschlagen war, sollte auch der große Entscheidungs-
kampf geschehen, da das in zwei feindliche Hälften zerspaltene Europa
einander gegenüber stand. Der Tag des Gerichts über den Verder-
der war endlich gekommen. Er fühlte seine Schläge schon im eignen
Herzen. Von Verzweiflung zum Trotz, von Hoffnungslosigkeit zum
Uebermuth hin und her schwankend, war er selbst seiner eignen Um-
gebung fürchterlich geworden. Nur mit finsterm Widerwillen oder
bangem Zweifel gehorchten ihm noch seine Generäle ; im ganzen Heere
40*
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Extrahierte Personennamen: Schwarzenberg Bülow August Napoleon Schwarzenberg
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Sachsen Dresden Berlin Dresden Schlesien Leipzig Wartenberg Leipzig Europa
6
I. §. 3. Die Urzeit.
Stufe sich durch eigene Kraft, am wenigsten durch einen sagenannten
Naturpraceß auf eine höhere Stufe hinaufzuarbeiten vermag. Dazu
bedarf es stets der Hülfe übergeordneter Wesen und treuer Benutzung
der mitgetheilten göttlichen Kräfte. Die Menschen aber haben sich in
verschiedener Stufenfolge bald weniger, bald mehr von ihrem göttlichen
Lebensquell losgerissen, und in dem Maße, wie das geschehen ist, hat
sich zugleich mit ihrem sittlichen Bewußtsein und ihren geistigen Fähig-
keiten auch ihre Gestalt, ihre Körperform, ihre Farbe verändert. Die
am meisten ausgearteten sind auch am tiefsten (schwarz) gefärbt, und
in ihrer äußern Erscheinung den Thieren am ähnlichsten geworden.
Aber sie sind darum doch noch keine Thiere geworden. Der himmel-
weite Unterschied zwischen Mensch und Thier bleibt immer noch beste-
hen, das ist die vernünftige menschliche Seele, die dem Menschen von
Gott eingehaucht ist als ein Theil und Stück göttlichen Lebens in ihm.
Auch der am tiefsten hernntergekominene Neger kann durch zweckmäßige
Anleitung unter dem heiligenden Einfluß des Christenthums auf die Höhe
menschlicher Bildung gehoben werden, und in demselben Maße als das
geschieht, wird seine thierische Gesichtsbildung schwinden, der Ausdruck
seines Auges und die weicheren Theile seiner Gestalt sich veredeln, ja
seine Farbe, wenigstens in der Folge der Geschlechter, von ihrer Dun-
kelheit verlieren. Auch das klügste Thier kann man nur abrichten,
das versunkenste Heidenkind dagegen kann man durch Gottes Gnade zu
einem verständigen, gesitteten, gläubigen, seligen Menschen, ja zu einem
Kinde Gottes emporblühen sehen. Die Proben sind zu hunderten und
tausenden gemacht, und die Thatsachen, die aus allen Zeiten und Län-
dern vorliegen, sind so klar, überzeugend und unwidersprechlich, daß
nur der trotzige Unglaube sie abzuleugnen wagt.
§.3. Die Urzeit.
So wie wir mit dem gefallenen Menschenpaar aus dem Para-
diese heraustreten, liegt eine lange lange Reihe von Jahrhunderten,
liegen fast ,zwei Jahrtausende vor uns bis zur Sündfluth (ungefähr
dieselbe Zeitlänge wie von Christo bis auf uns), über welche uns
wiederum kein anderes Buch der ganzen Welt Aufschluß giebt, als
nur die Bibel. Und welchen Aufschluß giebt sie uns! Man sollte
meinen, von diesem ungeheuren Zeitraum würde allein eine Geschichte
zu schreiben sein, die viele Bände füllen könnte. Statt dessen finden
wir Alles, was aus diesem Zeiträume berichtet wird, auf zwei Seiten
zusammengedrängt. Zuerst ein Paar kurze Erzählungen davon, wie
rasch die unter die Menschen eingedrungene Sünde sich zum Ver-
brechen gesteigert und ganze Familien und Geschlechter stufenweise
in immer tiefere Ausartung hinuntergestürzt hat. Sodann folgt eine
lange Reihe von Zahlen und Namen, die auf den ersten Anblick für
uns gar wenig Werth zu haben scheinen. Nichts von den Thaten,
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5(36“ Xxv. §. 3. Die französische Uebermacht und der Materialismus-
begann, daß er zu gleicher Zeit die Stützen der Throne, die bür-
gerlichen Ordnungen umstieß und die Grundlagen des Chriften-
thums, die Wahrheit der heiligen Schrift in Zweifel stellte. An dem
sittlichen Ernst der großen Mehrzahl der englischen Nation scheiterten
seine Künste zum Theil. In einem neuen begeisterten Aufschwung gläu-
biger Hingabe und strenger Sittenzucht erhoben sie sich bald auf's Neue
zum Bewußtsein ihrer missionarischen Bestimmung nach innen und nach
außen, besonders durch die großen Gründer des Methodismus ange-
regt, Wesley und White fiel d. Aber kein Baum fällt aus den ersten
Hieb. Die höllische Saat, die in England nicht aufgehen wollte, sollte
bald in einem andern Lande ihre greulichen Früchte bringen, und Abfall
vom Christenthum und Staatsumstürzung Hand in Hand unabwendbar
herbeikommen und ein Land nach dem andern mit Todesschatten über-
ziehen.
§. 3. Die französische Uebermacht und der Materia-
lismus.
Die ganze zweite Hälfte des 17. und auch noch der Anfang des
vorigen Jahrhunderts wird als die Epoche Ludwig's Xiv. bezeich-
net. In der That war dieser Enkel Heinrich's Iv. (1643—1715)
der politische Mittelpunkt jener ganzen Zeit und nicht bloß der poli-
tische. Es war ein Mensch zum Herrscher geboren, voll eines solchen
Kraftgefühls, Selbstvertrauens, Siegesgewißheit, Ehrgeiz und Selbst-
vergötterung, daß es mit zu seiner Natur zu gehören schien, alle Welt zu
seinen Füßen zu sehen. Wie hat er die unruhigen, aussätzigen, freiheit-
stolzen Franzosen so zahm gemacht. Was in dieser Hinsicht der eiserne
Arm R i ch e l i e u' ö (Minister Ludwig's Xiii.; vgl. 558) begonnen hatte,
das hat Ludwig Xiv. vollendet. Wo waren sie nun alle diese trotzi-
gen Gestalten, di,e selbstherrischen Prinzen, Grafen und Barone, die
von ihren Schlössern, von ihren Gouvernements aus, die königliche
Regierung unablässig in Athem hielten, welche eigne Heere in's Feld
stellten, wohl gar eigne Münzen schlugen, unter einander und mit
Fremden Bündnisse schlossen und den König zu nachgiebigen Unter-
handlungen zwangen? Wo waren jene unbeugsamen Parlamente,
jene leicht entzündeten Stadtgemeinden, die unaufhörlich gährende
Bevölkerung der Stadt Paris, die noch während Ludwig's Xiv.
Minderjährigkeit seiner Mutter, der Regentin, und ihrem Minister Ma-
zarini so unendlich viel zu schaffen gemacht hatten? In unterwür-
figstem Gehorsam, wie wedelnde und leckende Hündlein schmiegten sie
sich zu den Füßen des übermüthigen Monarchen, und wenn je ein-
mal eins oder das andere es wagen wollte, die Zähne zu blecken, so
genügte ein zorniges Drohen, ein „Schlag mit der Reitpeitsche", um
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Extrahierte Personennamen: Ernst Wesley Ludwig_Xiv Ludwig
572 Xxv. §. 4. Deutschlands Elend und die Anfänge des Rationalismus.
Es ist nie wieder in seiner allen Bedentung und Herrlichkeit erstan-
den und wird nie wieder erstehen. Aber ob auch zu politischer Ohn-
macht heruntergedrückt, bleibt dem Deutschen dennoch die alte heilige
Aufgabe, in gläubiger Forschung die geheimnißvollen Tiefen der gött-
lichen Offenbarung zu ermessen, die Lehre zu überwachen und das
heilige Feuer auf dem Altar der deutschen Herzen zu nähren, bis —
die Herrlichkeit des Herrn erscheinen und mit der Wiederaufrichtung
seines Reichs auch dem Deutschen eine neue Stellung in der Chri-
stenheit zu Theil werden wird. Vorläufig aber hat Deutschland seine
christliche Wirksamkeit nach außen hin an England abtreten oder
doch sich an England anlehnen müssen, wo es eine Missionsthätig-
keit entwickeln wollte. Seine politische Bedeutung aber erbten
die beiden aus deutschem Saft und Blut herausgeborenen Mächte:
Oe streich und Preußen. Denn wie Deutschland durch den Reli-
gionskrieg in zwei Theile zerrissen war, so konnte seine Erbschaft auch
nur an zwei Hauptstaaten übergehen, an welche sich die kleineren Für-
sten anschließen: das katholische Oestreich und das protestanti-
sche Preußen. Eben jetzt hatte das souveraine Herzogthum Preußen
dem Kurfürsten Friedrich von Brandenburg (Sohn Friedrich Wil-
helm'ö des Großen) Gelegenheit gegeben, den Königstitel anzuneh-
men (1701) und damit einen weitern bedeutenden Schritt zu thun
auf der Bahn zu einer ehrfurchtgebietenden europäischen Weltstellung.
Und so entsteht denn vor unseren Augen ein ganz neues Europa.
Der Süden, sowohl die katholischen als die osmanischen Länder, treten
zurück, verlieren ihre politische Bedeutung und verzehren sich in un-
aufhörlichen Revolutionen. Auch der protestantische Norden, der
durch Gustav Adolf's Auftreten in Deutschland einen Augenblick
die Entscheidung der europäischen Geschicke in Händen hatte, verfällt
jetzt, nachdem der Bestand des Protestantismus gesichert ist, wieder
in seine frühere Unbedeutendheit. Nur wie das letzte Ausflackern einer
erlöschenden Flamme erscheinen die Kriegsthaten Karl's X. (1654
■—60) und Karl's Xii. (1697—1718). England fängt an, nach
langen Vorbereitungen und inneren Kämpfen die Aufgabe zu erkennen,
die ihm vom Herrn gestellt ist, und beginnt sein protestantisches Co-
lonisationswerk in Nord-Amerika, wie in Ostindien. An des zerrisse-
nen Deutschlands Stelle erscheinen zwei selbständige Staaten, Oestreich
und Preußen, die noch einige Zeit nöthig haben, um sich auöcinander-
zusetzen, aber doch schon beginnen, den deutschen Namen wieder zu
Ehren zu bringen. Der Schwerpunkt der gesammten neuen Staa-
tenbildung aber liegt in Frankreich, dem geschäftigen Brütofen aller
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_von_Brandenburg Friedrich Friedrich_Wil- Friedrich Gustav_Adolf's Gustav Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland England England Deutschland Europa Deutschland England Nord-Amerika Ostindien Deutschlands Frankreich
108 Ix. §. 6. Ahaöveruö und Arthasastha (529 — 521).
dem willigen Zugeftändniß seines Verstandes doch die Eroberungsge-
lüste so sehr vor, daß er auf die religiösen Dinge sich nicht tief ein-
ließ. Aus Esra 4, 5 scheint sogar hervorzugehen, daß er in der
letzten Zeit seiner Regierung auch die Juden wieder ungünstig be-
handelte, seine eignen Befehle widerrief und den Bau Jerusalem's
und des Tempels verhinderte. Also erobern, das Reich ausbrciten
und mehren, unbekümmert um die religiösen Einwirkungen, das war
der eigentliche Charakter des Perserthums. Während der ganzen Re-
gierungszeit des Cores dauerten die Eroberungszüge ununterbrochen
fort, und nicht minder unter seinen Nachfolgern Cambyses, Da-
rius, ekerres und Artarerres. Sobald dann aber das Weiter-
greifen und Umsichfressen aufhört, scheint auch der frische Blutumlauf
in dem Reichskörper zu stocken, er geht unaufhaltsam seinem Verfall
entgegen.
Auch in dem Gesicht des Daniel (Cap. 8) wird die Eroberungs-
lust als das Eigenthümliche des Perserreichs hervorgehoben. Dort
erscheint es unter dem Bilde eines Widders, der nach allen Seiten
stößt. Von seinen zwei Hörnern ist eines höher als das andere, doch
vas höchste wuchs am letzten. Dadurch soll die doppelte Nationalität
der Meder und Perser angezeigt werden, welche ihre Kraft erst vereini-
gen mußten, um die Weltherrschaft zu gewinnen. Aber die Perser, ob-
wohl sie sich zuletzt erhoben halten, blieben doch gewaltiger als die
Meder und waren das herrschende Volk. Aehnliches ist angedeutet
durch die Stellung des Bären (7,5), welcher aufder einen Seite
liegt, und aus der andern Seite, also halb aufgerichtet, steht; und
durch die Brust 2, 32, deren eine Seite mit dem schlagenden Herzen
edler ist als die andere. Die Arme, welche als mit zur Brust gehö-
rig bezeichnet werden, bedeuten die beiden Haupteroberungen, welche
noch mit zum Perserreich hinzugefügt wurden, nämlich Klein-Asien, in-
sonderheit das lydische Reich, und Aegypten. Letzteres wurde erst
durch des Cores Nachfolger gewonnen; aber Klein-Asien eroberte
Cores, wie oben bemerkt wurde, noch selber. Gegen das Ende sei-
nes Lebens wandte sich der Letztere gegen den Norden, um mehrere
arisch.germanische Völkerschaften zu bekriegen, die vermuthlich die Si-
cherheit seiner dortigen Reichsgrenzen bedrohten, Nach der gewöhnli-
chen Erzählung soll er im Kampf gegen die Massagetenkönigin To-
ni yris gefallen sein (529). Doch sind die Nachrichten über sein Le-
bensende nicht ganz sicher.
§. 6. Ahaöverus und Artasastha (529 — 521).
Des Cores Sohn Ca m b yse6 (Ahasverus), der als ein sehr gewalt-
thätiger und grausamer Mensch geschildert wird, war ganz der Mann
dazu, um die Eroberungspläne seines Vaters weiter fortzufübren.
Für ruhige Verwaltung seines großen Reichs hatte er wenig Sinn.
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Xi. §. 4. Versuchte Verschmelzung der Griechen und Orientalen. 146
hatten Indien und weiterhin China ihren eignen abgeschlossenen,
fremdartigen Entwickelungs- und Bildungsgang verfolgt, und so sollte
es auch bleiben. Erst 2000 Jahre später sollte die hinterastatische
Wunderwelt ihre heidnische Pracht und Fülle den erstaunten Augen
der abendländischen Christenheit erschließen und mitten in die uner-
schöpfliche Bewegungskraft und Frische der siegend vordringenden christ-
lichen Cultur und Herrlichkeit wie in einen Strudel hineingeriffen
werden, sei es zur Wiedergeburt, sei es zum Untergang.
8. 4. Versuchte Verschmelzung der Griechen und
Orientalen.
Die eine große Aufgabe, zu deren Lösung Alexander sich be-
rufen wußte, die Zertrümmerung des Perserreichs, war jetzt gelöst.
Asien lag zu seinen Füßen. Aber jetzt galt es die Lösung der zwei-
ten größern. Nicht bloß vezwingen, sondern innerlich umwandeln,
neuschaffen wollte er den Orient. Verschmelzen wollte er, was bis-
her sich fremd und feindlich gegenüberstand. Griechische Geistesbil-
dung, Schönheitssinn, Kunst und Wissenschaft wollte er über ganz
Asten wie eine belebende Fluih ergießen. Dagegen den griechischen
Freiheitstrotz mit seiner Zwiespältigkeit, seinen Sonderinteressen, seiner
selbstsüchtigen Kleinigkeitskrämerei wollte er durch die feste Ordnung
und den Glanz orientalischen Königthums, durch den Reiz und die
Mannigfaltigkeit orientalischer Genüsse biegsamer, nachgiebiger, gefü-
giger machen, und beider weit auseinandergehende Lebensgewohnheiten
und Charaktere zu einer gegenseitig sich ergänzenden großen Einheit
zusammenfügen. Das weissagende Monarchieenbild des Nebucadne-
zarschen Traumgesichts bezeichnet das Reich Alerander's als bestehend
aus Bauch und Schenkeln der metallenen Riesenfigur. Der Bauch
ist ja der träge, dem Genuß dienende, üppig weichliche Orient; den
haben die raschen beweglichen Schenkel der griechischen Strebsamkeit
und Thatkrast in die Mitte genommen (Dan. 2, 32. 39). Das
dritte Weltreich hat deshalb eine etwas buntscheckige Gestalt ange-
nommen und erscheint Dan. 7, 6 als buntgefleckter Pardel, und
zwar halb als Vogel, halb als Raubthier. Aber daß ihm die Flü-
gel ausgerauft, daß es emporgehoben und ihm ein menschlich Herz
gegeben wird, wie dem Löwen V. 4, der sich zu Gott bekehrt, das
steht nicht dabei. Alexander, so weit er auch an Erkenntniß und
Wissen die orientalischen Völker überragte, stand doch dem lebendigen
Gott um kein Haarbreit näher als sie, hat ihm auch nie näher treten
wollen, sondern ist in seinem selbstsüchtigen Streben allmälig weiter
von ihm zurückgewichen. Gottesdienst und Gottesfurcht war und blieb
ihm nur Mittel zum Zweck. Aller überwundenen Völker Götter
v. Rohden, Leitfaden. 10
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Alexander Alexander
290 Xvii. tz. 10. Aufrichtung des Frankenreichs.
schen Franken überwand er (496) in der großen Schlacht bei Tol-
biacum die Alemannen und gewann ihnen das ganze linke
Rheinufer südlich von der Mosel ab, dazu auch noch ein Stück des
rechten Rheinufers (Nassau, Frankfurt, Darmftadt, Heidelberg), so daß
die Alemannen hinfort auf Schwaben und den nördlichen Theil der
Schweiz beschränkt blieben. Und immer weiter griff seine räuberische
Hand. Einen Theil des Burgundergebiets, dann (507) durch den
großen Sieg bei Poitiers fast das ganze Ländergebiet der Westgothen
im südlichen Gallien riß er an sich, also daß sich sein Frankenreich
ausdehnte von den Pyrenäen bis zur Mosel und Schelde und vom
Ocean bis zum Rhein. So ging das römische und das westgothische
Gallien in das neu sich bildende Frankreich über und empfing durch
Chlodwig im Wesentlichen schon die Gestalt, die es bis heute behal-
ten hat.
Was dem Chlodwig seinen Sieg über die benachbarten Ger-
manenstamme so sehr erleichterte, war sein Vekenntniß zum katho-
lischen Glauben. Als Heide, aber unter katholischen Römern aus-
gewachsen, hatte er seine Siegeslaufbahn begonnen. Der Einfluß
seiner Gemahlin, einer burgundischen Prinzessin, hatte ihn schon
lange zur Annahme des Christenthums gedrängt. In der Ale-
mannenschlacht bei Tolbiacum kam sein Entschluß zur Reife, weil er
die Hülfe des Christengottes aus wunderbare Weise wahrend der Schlacht
meinte erfahren zu haben. Er ließ sich von dem römischen Erzbischof
zu Rheims taufen und in die katholische Kirche aufnehmen. Voll
treuer Anhänglichkeit folgte ihm sein fränkisches Heergefolge auch in
dem neuen Bekenntniß. Das war ein großer Sieg, ein herrlicher Ge-
winn der katholischen Kirche. Bisher hatten alle die siegreichen Ger-
manenhelden ihr als Ketzer, wenn auch nicht feindlich, so doch fremd
gegenübergestanden. Hier war nun endlich einmal ein gewaltiger Kö-
nig, ein tapferes Volk, ein mächtiges Reich im Glauben und im Got-
tesdienst echt kirchlich, und versprach ihr Schutz und ihre Hülfe gegen
die arianischen Gewalthaber zu werden. Deshalb wandten sich die
römischen Unterthanen der Westgothen (aus besiegten Kelten und
eingewanderten Römern hervorgegangen), sobald der Krieg mit den
Franken ausbrach, alsbald von ihrem Gothenkönig ab zum Chlod-
wig hin, und halfen selbst die Gothen verjagen nach Spanien. Der
Frankenkönig war auch klug genug, den eitlen Stolz dieser Römlinge
zu schonen und sich auch einen römischen Titel beilegen zu lassen. Da
nun kein weströmischer Imperator mehr da war, so wandte er sich
an den o st römischen Hof nach Constantinopel, ließ sich von dort zum
Patrieius oder Cónsul von Gallien ernennen und übte nun scheinbar
als römischer Beamter und nach römischen Gesetzen seine Herrschaft
über die römischen Unterthanen. Seinen Franken dagegen galt er na-
türlich als ihr Heerkönig ganz nach germanischer Sitte und Recht.
Während sich aber die fränkischen Krieger, von ihrem Könige mit Land
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]